Ein Jahr Cannabis-Teillegalisierung: Gemischte Bilanz, politische Debatte und offene Fragen

08.05.2025 12 mal gelesen 0 Kommentare

Debatte um das Cannabis-Gesetz: Ein Jahr Teil-Legalisierung in Deutschland

Am 1. April 2024 trat das Cannabis-Gesetz (CanG) in Kraft und brachte eine Teil-Legalisierung der Pflanze nach Deutschland. Besonders in der Union wuchs der Druck, das Gesetz zurückzunehmen, was in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ein zentraler Streitpunkt war. Letztlich wurde die Rücknahme der Teillegalisierung jedoch nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen, obwohl insbesondere die CSU dies forderte. Stattdessen ist für Herbst 2025 eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes geplant, wie aus dem gemeinsamen Dokument von CDU, CSU und SPD hervorgeht. Bereits das geltende Gesetz sieht eine erste Evaluierung vor (Krautinvest, MDR, FAZ).

Die Bilanz nach einem Jahr fällt gemischt aus: Während die Ampel-Koalition versprochen hatte, den Gesundheitsschutz zu stärken und den illegalen Drogenhandel einzudämmen, wird kritisiert, dass die psychische Gesundheit Jugendlicher gefährdet sei und der Schwarzmarkt weiterhin floriert. Dennoch sehen viele Medienhäuser die Schwachpunkte des Gesetzes nicht als Grund, es wieder abzuschaffen. Analysen aus Stuttgart zeigen, dass die befürchtete Zunahme des Konsums nicht eingetreten ist. In Hamburg berichten Polizei und Drogenberatungen von einer gemischten Bilanz, und die ersten Anbauvereine beklagen hohe bürokratische Hürden. In Ulm bringt das Gesetz für viele Konsumierende Freiheit, aber auch die Angst, diese wieder zu verlieren. Die Justiz steht vor einer Mammutaufgabe, da einige Verurteilte profitieren, aber die Entkriminalisierung neue Herausforderungen schafft (Krautinvest, tagesschau, ndr, SWR, FAZ).

„Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch.“ (CDU, CSU und SPD, zitiert nach FAZ)
Datum Ereignis Quelle
01.04.2024 Inkrafttreten des CanG Krautinvest
Herbst 2025 Geplante Evaluierung MDR, FAZ
  • Rücknahme der Teillegalisierung nicht im Koalitionsvertrag
  • Schwarzmarkt weiterhin aktiv
  • Gemischte Bilanz bei Polizei und Beratungsstellen

Infobox: Die Teil-Legalisierung bleibt umstritten, eine Rückabwicklung ist politisch aktuell nicht vorgesehen. Die Auswirkungen werden im Herbst 2025 evaluiert (Krautinvest).

Genehmigung und Herausforderungen für Cannabis Social Clubs

Seit Juli 2024 können sich Cannabis Social Clubs (CSCs) lizenzieren lassen, um gemeinschaftlichen Anbau und nichtkommerzielle Abgabe zu ermöglichen. Der Start verläuft jedoch schleppend: Erst wenige Dutzend Clubs haben eine offizielle Genehmigung erhalten, obwohl bundesweit hunderte Anträge vorliegen. Die Genehmigungsprozesse auf Landesebene sind komplex und vielerorts noch nicht abgeschlossen. In einigen Bundesländern gibt es noch keine genehmigten Clubs (t3n).

Ein Beispiel aus Bayern: Der Cannabis-Social-Club Inntal-Raubling hat nach monatelanger Wartezeit die Genehmigung erhalten. Bevor der Anbau beginnen kann, müssen jedoch umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen wie eine Tür der Widerstandsklasse RC3, Vergitterungen, Alarmanlage mit Videoüberwachung und Bewegungssensoren installiert werden. Die Lieferzeiten für die Sicherheitsausstattung verzögern den Start zusätzlich. Der Vorsitzende des Clubs schätzt, dass es fünf bis sechs Monate dauern wird, bis das erste Cannabis an die Mitglieder ausgegeben werden kann. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) kündigte zudem engmaschige Kontrollen an, darunter unangemeldete Ortsbegehungen (Merkur).

„Das ist Fort Knox, was wir da machen“, sagt der Vereinsgründer Degenhart (Merkur).
  • Genehmigungsprozesse dauern lange
  • Hohe Sicherheitsanforderungen
  • Engmaschige Kontrollen durch Behörden

Infobox: Die Umsetzung der CSCs ist von bürokratischen Hürden und hohen Sicherheitsanforderungen geprägt. In Bayern sind erst drei Clubs genehmigt (Merkur, t3n).

Gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen

Die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis hat sich in Berlin seit der Teillegalisierung mehr als halbiert. Zwischen April 2024 und März 2025 wurden rund 2.300 Straftaten festgestellt, im Vergleich zu rund 8.430 im Vorjahreszeitraum (Tagesspiegel). Dennoch ist die Bevölkerung hinsichtlich der Teil-Legalisierung gespalten: Laut einer Yougov-Umfrage würden 38 Prozent der Befragten diese gerne wieder rückgängig machen, ebenso viele wollen, dass sie im bisherigen Rahmen fortbesteht. Nur etwas mehr als ein Zehntel befürwortet eine Ausweitung der Legalisierung (t3n).

Im Bereich der Justiz sorgt das neue Gesetz für Unsicherheiten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Freispruch eines Mannes im Prozess um die mutmaßliche Einfuhr von rund 450 Kilogramm Marihuana aufgehoben. Das Landgericht Mannheim hatte argumentiert, dass verschlüsselte Encrochat-Nachrichten seit Einführung des neuen Cannabis-Gesetzes nicht mehr vor Gericht verwertbar seien. Der BGH entschied jedoch, dass die Verwertung dieser Daten auch nach Einführung des Gesetzes in Strafverfahren gegen mutmaßliche Drogendealer möglich ist (Zeit Online, Mannheimer Morgen).

Zeitraum Festgestellte Straftaten (Berlin) Quelle
April 2023 – März 2024 8.430 Tagesspiegel
April 2024 – März 2025 2.300 Tagesspiegel

Infobox: Die Teil-Legalisierung hat zu einem deutlichen Rückgang der Cannabis-Straftaten in Berlin geführt. Rechtlich bleibt die Verwertung von Encrochat-Daten weiterhin möglich (Tagesspiegel, Zeit Online).

Modellprojekte und internationale Entwicklungen

In den Niederlanden dürfen im Rahmen eines Modellprojekts nun mehrere Unternehmen Cannabis kontrolliert anbauen. 80 Coffeeshops verkaufen ausschließlich legales Gras. Ziel ist es, den Schwarzmarkt einzudämmen und die Qualität der Produkte zu sichern (Hanf Magazin).

In Deutschland sind Modellprojekte zum Cannabis-Verkauf weiterhin umstritten. In Leipzig scheiterte ein Versuch, ein neues Forschungsprojekt ist jedoch in Planung. In Altlandsberg sollte ein Cannabis-Shop Millioneneinnahmen bringen und den Schwarzmarkt eindämmen, doch der Vorstoß für ein Modellprojekt ist gescheitert (Krautinvest).

  • 80 Coffeeshops in den Niederlanden verkaufen nur noch legales Cannabis
  • Modellprojekte in Deutschland stoßen auf politische Hürden

Infobox: Die Niederlande setzen mit ihrem Modellprojekt neue Maßstäbe für die kontrollierte Abgabe von Cannabis. In Deutschland bleibt die Umsetzung von Modellprojekten schwierig (Hanf Magazin, Krautinvest).

Demonstrationen und gesellschaftlicher Diskurs

In Düsseldorf fand unter dem Motto „Shops statt Cops“ der „Global Marijuana March“ statt. Die Demonstranten forderten eine kontrollierte, legale Abgabe von Cannabis durch lizenzierte Fachgeschäfte und setzten sich gegen die fortwährende Repression und Stigmatisierung von Cannabiskonsumenten ein. Die Veranstalter meldeten rund 300 Teilnehmer an. Prominente Unterstützung kam vom Satirekünstler Jacques Tilly, der eine zwei Meter große Joint-Skulptur für den Protestzug beisteuerte (RP Online).

  • Forderung nach legaler Abgabe in Fachgeschäften
  • Rund 300 Teilnehmer in Düsseldorf
  • Künstlerische Unterstützung durch Jacques Tilly

Infobox: Die gesellschaftliche Debatte um Cannabis bleibt lebendig. Aktivisten fordern eine Ausweitung der Legalisierung und die Umsetzung des Koalitionsvertrags (RP Online).

Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse

  • Das Cannabis-Gesetz bleibt politisch und gesellschaftlich umstritten, eine Evaluierung ist für Herbst 2025 geplant.
  • Die Genehmigung von Cannabis Social Clubs verläuft schleppend, hohe Sicherheitsanforderungen verzögern den Start.
  • Die Zahl der Cannabis-Straftaten ist in Berlin deutlich gesunken, rechtliche Unsicherheiten bestehen weiterhin.
  • Internationale Modellprojekte, wie in den Niederlanden, zeigen neue Wege für die kontrollierte Abgabe auf.
  • Die gesellschaftliche Debatte wird durch Demonstrationen und prominente Unterstützung weiter angeheizt.

Quellen:

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